The next level up | Krisenmanagement

Jürgen Bähr
veröffentlicht am 17. März 2021

Wichtige Entscheidungen in Krisenfällen können aufeinander aufbauen, um einen Weg zu verfolgen, aber bitte nicht stoisch mechanisch, weil es doch so war und nach wie vor so sein muss. Ist es nämlich vielfach nicht. Entscheidend ist vielmehr, die eigene Situation und die eigene Position immer wieder zum richtigen Zeitpunkt ganze 360 Grad rundum bewusst wahrzunehmen, zu erkennen und zu hinterfragen, um die nächste Stufe gehen zu können. Auf die sensible Balance des Handelns und die passende Kommunikation kommt es insbesondere in Krisen an.

Eine einfache Situation…

Alles ist ruhig, business as usual, es läuft wie geschmiert, keine größeren Probleme. Kleinere Störfaktoren können mit wenig Aufwand moderierend gelöst werden, das systemische Radar im näheren Umfeld funktioniert. Alles bestens. Das Programm spult sich wie gewünscht ab – Routine. Reine, kontinuierliche Sachinformation nach außen genügt.

Lineares, geradliniges Prozessdenken scheint daher nicht schlecht zu sein – in einer linear funktionierenden Welt. Keine größeren Veränderungen, nichts Neues, keine Eruptionen. Sehr bequem. Aber: Wollen wir das überhaupt? Stagnation ohne jegliche Neuentwicklungen? Mal im Ernst! Nein, das ist zu ruhig, und überhaupt nicht unser Ansinnen als eine nach Perfektion strebende Spezies, eher insgesamt ganz schön langweilig. Es muss doch neben Ruhephasen vor allem mal unterhaltsam, spannend sein, elektrisieren, immer noch etwas Besseres geben?

Universelles Motto schreit nach Veränderungen

Insofern entspricht dies mit Sicherheit nicht den realistischen Zielen einer ehrgeizigen Organisation mit Führungsanspruch. Höchstens einer Phase zwischendrin zum Durchatmen und sich Sammeln. Zumal die Welt alles andere als geradlinig linear funktioniert. Das universelle Motto lautet doch: Höher, schneller, weiter – rundum Wettbewerb – überall die Suche nach neuen Lösungen, ganz vorne dabei sein. Sie verlangt Willen, Kreativität, Entdeckergeist und vor allem, es braucht Mut zum Risiko. Manchmal auch den kalkulierten Reiz des Abenteuers. Solange man es sich aussuchen kann.

Das unerwartet Böse

Plötzlich und unverhofft die Überraschung: das große Unbekannte, der Störenfried, die Katastrophe, das Chaos, die Zerstörung. Es hätte doch alles so schön sein können.

Was nun? Was ist zu tun? Was genau hat unser Radar im gesamten Umfeld auf dem Schirm? Das analytische Gespür für Strukturen und ihre dynamische Zerstreuungsfreude ist jetzt äußerst hilfreich und entscheidend, um Schritt für Schritt Ordnung ins Chaos zu bringen. Expertise ist gut. Szenarien mit entsprechenden Maßnahmen sind gut. Transparent und glaubhaft kommunizieren auch. Aber zu erkennen, dass es jetzt rasant auf die nächstschwierigeren Levels zugeht ist das Allerwichtigste. Denn nichts ist im Chaos mehr gleich, die Anforderungen an Akteure wachsen vielschichtig, der Druck richtig zu handeln immens, linear war der Ruhezustand.

Zwischenstadium | Be prepared for the unexpected

Ja, daher ist es extrem wichtig zu wissen was gerade genau passiert, mit welchen möglichen Konsequenzen, um in alle Richtungen planen und sagen zu können was genau zu tun ist. Okay. Die Analyse ist Sinn stiftend gut, jetzt zielgerichtet und transparent handeln und kommunizieren, alles ist zunächst gut, läuft bestens. Der Plan geht auf, die Aktion kommt an, Strategie und Aktivitäten greifen, es geht voran. Eine Entwicklung ist sichtbar, spürbare Verbesserungen, Bestätigung, der Beifall ist groß. Beifall? Stimmt – da war noch was – das Publikum, die Zielgruppe, die Kunden, die Bevölkerung.

Die nächste Welle

Aber: War das wirklich schon alles? Das Ende? Ist man über den Berg? Nur noch Schwelbrände oder entfacht sich das Feuer immer wieder, bis es endgültig gelöscht ist? Ein Hauptkriterium von Krisen gegenüber „Vorfällen“ ist, dass sie sich beharrlich über eine längere Zeit hinziehen und schädlich auswirken. Je nach Problemstellung und Charakteristik treten sie in Wellen auf, nicht selten potenzieren sich in einer Eigendynamik die wahrnehmbaren Auswirkungen, verstärkt durch die Medien auf die handelnden Akteure und die Gesellschaft. Weitere Krisenherde entstehen, Meinungsbilder bauen sich auf und kippen, sind vielfach widersprüchlich und provokant. Verunsicherung, Ängste und aggressives Verhalten können im schlimmsten Fall die Stimmung prägen.

The next level up

Jetzt die Linie durchziehen, aber das große Ganze im Blick haben. Ja – unbedingt mit den möglichen Lösungs- und Ausstiegsszenarien. Doch jetzt bei Bedarf auch das nächste Level gehen wollen. Eventuell Risiko „all in“ gehen. Nicht unkontrolliert, denn Balance heißt vor allem auch Abwägen. Dann doch den Sprung über die Klippe wagen, das kalkulierbare Risiko und den evtl. unpopulären oder unkonventionellen Weg gehen. Vielleicht ein Abenteuer, aber den Pfad bewusst und berechenbar weiterverfolgen und den Prozess bis zum Ende selbstbewusst fortführen, das Gesamtergebnis im Blick. Den Weg, die Lösung intern wie extern transparent erklären.

Next level upcoming…

Foto: iStock/Berrycomm