MEINUNGsMACHT

Jürgen Bähr
veröffentlicht am 24. November 2017

Es ist schon ein Elend mit all den Meinungen überall im Namen der Meinungsfreiheit. Egal ob in Sport, Gesellschaft oder in der Politik, die inflationäre Meinungsvielfalt führt medial zunehmend und zwangsläufig zu einer stetig steigenden und irrwitzigen Meinungsflut. Menge und Qualität. Die alten Widersacher – erst recht bei explosiver Intensität und Vielfalt der Meinungsrichtungen.

Wer sich all dem nicht entziehen kann oder will schaltet vollkommen ab, oder ertrinkt unbemerkt anonym im bunt und gefährlich schäumenden Meer der Meinungen, oder lässt sich einfach bequem fehlleiten, natürlich im passenden Meinungskanal. Eine Richtung, cool, da sind ganz viele, will ich hin, ist einfach, tut gut.

Doch mit einem gefälligen Schalterkippen ist es auch nicht getan. Der Meinungsmarkt reagiert herdengleich. Denn diejenigen, die ihre oder die vermeintlichen Meinungen der Anderen immer wieder stoisch nach Außen pumpen, schalten noch ein, zwei Stufen beim Meinungsdruck höher, auf dem Weg hin zum gesellschaftlichen Meinungsgipfel. Hurra. Masse machen, ganz oben Meinungsführer sein. Nur Gute oder Böse. Am besten ganz Böse. Hinterlistige. Volksverführer. Oben in der Meinungsspirale.

Wird’s dadurch besser, das Konzert der Meinungsmacher? Was für eine blöde Frage! Aber: Es kommt auf den Blickwinkel an. Denn geht’s nur um exzessive Stimmungserzeugung, auf dem aggressiven Meinungsmarkt? Effekthascherei, Kommerz oder vielleicht dann doch mal Objektivität? Klar scheint zu sein, je höher das hochgeschraubte Stimmungsbarometer insgesamt steigt, desto irrationaler die Meinungsbildung. Richtungsweisende Trendmeinungen, dabei sein, noch einen draufsetzen, draufhauen, egal ob man es eigentlich anders sehen könnte – sogar müsste.

Reflektierend, analytischer, nachdenklicher, längerfristiger, ehrlicher. Vor allem differenzierter. Mit Plan. Und, Achtung: da sind auch schon mal Meinungen anderer. Doch die kritisch hinterfragte Meinungsqualität verkauft sich schlechter. Und sie kostet Zeit.
Für Meinungsbildung ist keine Zeit. Nicht meine Meinung. Aber meine Zeit.