Neue Normalität, das neue „Irgendwas“. Vernunft ist King!

Jürgen Bähr
veröffentlicht am 4. Mai 2020

Covid 19 und kein Ende. Oder vielleicht doch? Eventuell so, dass es die Leute auch verstehen, im Alltag und so? Dass sie es annehmen, beruhigt und entspannt, als Realität zum Zurücklehnen. So mit all den Tatsachen und Fakten, trotz vieler offener Fragen. Na gut – wir haben da eine Idee: Nennen wir es doch „Neue Normalität“ – N N – klingt super! Wie das Scheuermittel aus dem Discounter. Praktisch und zum Wegputzen billig. Ernsthaft?

Vorsicht! So bitte nicht! Es ist schon vermessen, in der jetzigen Zeit von „Normalität“ zu sprechen, auch wenn sie neu sein soll. Denn was ist Normalität eigentlich? Etwa der vergleichsweise gut materiell abgesicherte Alltagstrott in der nordwestlichen Hemisphäre der Erde? Dass man partiell vielleicht gut in medizinischer Absicherung oder im Klimaschutz ist?

Hierüber, und wie viele unterschiedliche Normalitäten es weltweit eigentlich gibt, kann man sich schon trefflich streiten. ABER – bitteschön – ist denn jetzt im Augenblick oder generell irgendetwas normal? Mal ehrlich? Klar gibt es mathematisch-physikalische Gesetzmäßigkeiten, Alltagsroutinen, aber das komplette gesellschaftliche Leben ist doch aus heiterem Himmel gerade in einen Wirbelsturm der wissenschaftlich begründeten und politisch verordneten Ruhe und des Stillstands geraten, und soll nun bei zunehmender Wind- und Lautstärke langsam wieder in Gang gebracht werden.

Also was bitteschön ist hier normal? Am Ende ist es nämlich falsch, sich von dieser suggestiven Alliteration etwas vorgaukeln zu lassen, was schlichtweg nicht oder vielleicht nur geringfügig da ist. Auch wenn Zeit und Raum im Zweifelsfall relativ sind, so befinden wir uns als Gesellschaft strenggenommen permanent in einem dynamischen Prozess. Die Welt und das Leben sind tagtäglich voller Veränderungen, das ist auch gut so. Die gute Nachricht: Die Menschheit hat vieles aktiv selber in der Hand, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn sie das will. Und gerade jetzt brauchen wir keine Normalität, sondern vertrauensbildende Orientierung im Wandel.

Jeden Tag entstehen neue Fakten, jeden Tag müssen Entscheidungen neu überdacht und gefällt werden. Aber wie? Was ist richtig? Was ist falsch? Welche Virologen haben Recht? Beispiel: Die Masken-Diskussion. Ein Witz. Klar, zu Beginn der Pandemie eher nicht hilfreich. Jetzt, beim Weiterverfolgen der Eindämmungsstrategie als eine recht einfach umsetzbare Maßnahme schon. Oder sollte man den Zaun um die freilaufenden Hühner weglassen, nur weil der Fuchs ihn untergraben könnte?

Aktuelles Beispiel zwei, nicht ganz so einfach, kürzlich höchst prominent platziert: Die Sozialadäquanz-Debatte. Oder einfacher ausgedrückt: Geben wir die Alten und Gebrechlichen zum Abschuss frei? Ist Gesundheitsschutz vergleichbar mit dem Straßenverkehr? Natürlich nur jetzt und rein situativ dem verdammten Virus geschuldet. Doch was ist mit rechtlich verhältnismäßiger Moral und Ethik auf Basis des Grundgesetzes? Wo sind Grenzen wenn es um Menschenleben geht? Wer zieht sie für wen? Sie kennen vermutlich die Antworten.

Vernunft ist King. Es lohnt sich, in der Diskussion der Extreme und des gesellschaftspolitischen Kalküls genau hinzuschauen. Was vorher falsch war kann jetzt richtig sein. Es gibt nicht nur hart links oder hart rechts. Die Zukunft gestalten ist, aus der Vergangenheit und dem Augenblick lernen. Es gilt davor Respekt zu haben, Dinge eindringlich abzuwägen, und Entscheidungen langfristig ohne polarisierende Hysterie zu treffen. Alternative Fragenstellungen sind dabei existenziell. So entstehen weitsichtiges Vertrauen und Orientierung in der Veränderung – gerade auch wenn es um dringend benötigtes Neues geht – bitte dann auch gerne ohne öde Normalität.

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