Shangri-La ist (n)irgendwo – Zeit und Raum für Offensiven schaffen

Jürgen Bähr
veröffentlicht am 8. April 2020

Lösungen in schwierigen Zeiten finden.

Außergewöhnliche Zeiten bedingen nicht zwingend und ausschließlich außergewöhnliche Maßnahmen. Zwar versetzt Covid-19 die halbe Welt nicht nur wirtschaftlich betrachtet in eine Art Stasis, und von jetzt auf nachher wird das blühende Leben auf null heruntergefahren. Shangri-La, das gelobte Land, ist nicht in Sicht. Eine so höchst selten dagewesene Situation überrollt den Erdball, die im gleichen Atemzug auch tiefe, unbehagliche und zerstörerische Unruhe erzeugt. Ja – das ist am Ende sogar gut, vielleicht sogar bereinigend – weil es fortan sehr wichtige, existenzielle Fragen die Zukunft betreffend zu klären gilt. Es ist jetzt die Zeit der Krisenmanager in Wirtschaft und Politik, erst recht in den Familien. Ruhe und Ordnung schaffen, Lösungen finden. Raum für Veränderungen. Die Krise als Chance. Aber eine freiheitsliebende Gesellschaft mit einem ausgedehnten öffentlichen Leben, zwingt sich zur räumlichen und physischen Fokussierung bis hin zur weitgehenden Kontaktlosigkeit. Was kann Reduzierung auf ein Minimum leisten – im Großen was die gesamte Bevölkerung betrifft, und im Kleinen für den Einzelnen, im Speziellen für Unternehmen und Institutionen als die entscheidenden Motoren der Gesellschaft?

Wege aus dem Chaos

Während bekannte Zukunftsforscher und Philosophen wie Matthias Horx schon hoffnungsvoll und in schillernden Farben prosaisch die neue Welt danach beschreiben, mit bisher ungekannten Chancen für eine neu strukturierte Gesellschaft, ist die Realität knallhart geprägt von vielen Ängsten und Sorgen wie es wohl weitergehen wird, und was jetzt von jedem Einzelnen zu tun ist. Im Angesicht der menschlichen Krisen und Schicksale im Gesundheits- bzw. Wirtschaftsleben, gilt es möglichst klar und bestimmend beruhigende Ordnung ins wirre Chaos voller Unbekannten zu bringen. Das System muss erst einmal wieder gestützt werden, aufstehen und auf die Beine kommen.

„Be prepared for the unexpected“

„Wir fahren auf Sicht“, ruft es überall aus den Leit- und Steuerzentralen. Was für viele Menschen erst einmal bedeutet, wir wissen nicht, wohin uns der Weg führt. Das mag was die übergeordnete Katastrophenbewältigung betrifft erst einmal zutreffen. Niemand aus Wissenschaft und Politik will sich ohne empirisch gestützte Entscheidungsgrundlagen auf Termine und Ergebnisse festlegen. Doch jeder, der in tiefer Nacht schon öfter im trüben Nebel unterwegs war weiß genau was es bedeutet, „auf Sicht“ zu fahren. Ruhe bewahren, alle Sinne aktivieren und auf hellwach stellen, die Konzentration auf das Wesentliche – die Konzentration nicht nur räumlich, geografisch, sondern auch gedanklich im Geiste. Auch auf das Unerwartete vorbereitet sein, denn tatsächlich, es geht weiter. Irgendwie. Doch Shangri-La, das gelobte Land, ist noch lange nicht in Sicht.

Mit Subroutinen das Spezielle meistern

Es muss ja weitergehen. Aber „irgendwie“? Treiben lassen ohne Plan – mittelfristig keine gute Idee. Wichtig ist jetzt, nicht zwanghaft und verzweifelt den genialen, außergewöhnlichen Lösungsweg suchen. Zumal in der Regel nicht Jedem die Erleuchtung per Geistesblitz vergönnt ist. Die überraschende zündende Idee beim Isolationsspaziergang, Joggen oder Fahrrad fahren sei hier mal ausgenommen. Stattdessen ist es ratsam, jetzt die funktions- und leistungsfähigen Subroutinen zu aktivieren, indem man im Rahmen vertrauter Abläufe ganz bewusst Schritt für Schritt wohlbekannte Wege geht. Strukturierte Gedankenarbeit ist angesagt.

Betrachten, fragen, sortieren, aktivieren

Konkret heißt das, im direkten Arbeits- und Lebensumfeld Strukturen und Ordnung schaffen, und versuchen, sich vom äußeren Chaos weitestgehend abzuschotten. Für ein paar Stunden Prioritäten schaffen, die man aufschreibt. Es geht jetzt darum, isoliert zu betrachten was wichtig ist, und zu sortieren. Was ist gut, was ist schlecht? Was ist nötig und was ist unbrauchbar? Was sind Auslöser oder aktive Treiber für die Situation, wo befinden sich oder aus was könnten Wege heraus aus dem Dilemma bestehen? Wo gibt es Chancen, worin bestehen Risiken? Was sind jetzt die nächsten Schritte? Alles notieren.

Räume für Ideen schaffen

Erst durch das eingrenzende Reduzieren auf das Wesentliche in einer gewissen Komfortzone für Geist und Verstand entsteht notwendiger Raum für Neues. Über die Fragestellungen, mögliche Antworten, sowie durch die konkrete Wahrnehmung des Geschriebenen entwickeln sich Ideen, die wiederum Auslöser für weitere Impulse sein können. Und genau darum geht es jetzt.

Tricks erwünscht

Einige Blätter Papier genügen, um die Gedanken zu sammeln und zu ordnen. Natürlich sind auch die Notizen im Notebook oder auf dem iPad ggf. mit Hilfe einer „Mind-Map“ hilfreich. Ein schöner Tintenfüller, ein guter aromatischer Tee oder ein Arbeitsausflug auf die Terrasse können überraschende Hilfestellungen und Antriebsmechanismen für schwierige Gedankenprozesse sein. Blockaden sind dann zwar lästig, aber sie lassen sich überlisten. Beispielsweise indem man die Denkarbeit unterbricht, rausgeht, zum Telefon greift und das Gespräch sucht, Musik hören, lesen, Sport treiben. Positiv bleiben.

Offensive

Vielleicht müssen nach all den Überlegungen die Karten neu gemischt werden? Wer spielt mit? Wer wird benötigt und hinzugeholt? Eine gute und interessante Zukunft wird meistens auch über Veränderungen und neue Ideen geschaffen. Zeit, in die Offensive zu gehen. Zeit aufzubrechen und den besseren Weg nach vorne zu suchen.

Foto: Adobe Stock