Da ist WM und alle wollen hin… Oder doch nicht?

Jürgen Bähr
veröffentlicht am 30. Mai 2014

Alle 4 Jahre wieder, wird sie ausgerufen, die selige Fußballfeierzeit. In diesem Jahr: Brasilien. Ein Land, in das man eigentlich liebend gerne reisen möchte, vielleicht aber auch lieber nicht. Ein Land voller Gegensätze, denn nicht alles ist fröhlicher Samba, sonnige Copacabana oder Freudentaumel im Fußballtempel Maracanã. Die WM spaltet das brasilianische Volk. Zurecht, und hoffentlich friedlich, obwohl sehr viel Geld für viel zu wenig Volksnutzen ausgegeben wird. Der schöne, die Völker verbindende Fußball… Aber dabei sein ist doch alles – oder? Egal wer, wie, wo und mit was (= Geld).

Doch weil ganze Länder wie zum Beispiel Deutschland vermutlich wieder unweigerlich in diesen Feierrhythmus verfallen sollen und werden – vorausgesetzt man bleibt möglichst lange drin im Turnier – laufen bei allen möglichen WM-Protagonisten die Kommunikationsapparate auf vollen Touren im Samba-Takt. Pressekonferenzen jeden Tag, schließlich geht’s ja nicht um das Knie oder den Knöchel von irgendwem, sondern jede erdenkliche Story will schließlich hautnah dran am Geschehen gefunden und verkündet werden. Ob alte, kleine und große Verletzungen, Trainerführerschein, Frustpinkeln in Hotels, heftige Autounfälle etc., die Stimmung und das Umfeld im Trainingslager sind dennoch super, der Zusammenhalt im Team ist riesengroß, der Teamspirit wirklich einmalig, weil man ja gemeinsam so wahnsinnig fokussiert ist. Auf das Turnier der Turniere. Und alle werden natürlich doch noch auf den letzten Drücker top fit sein. Nein, wir sind um Gottes Willen kein Lazarett. Bloß keine Negativ-Schlagzeilen!

Aber Deutschland hofft und fiebert schließlich mit, alles im offiziellen Umfeld strahlt in den schillerndsten WM-Farben – hervorragend professionell und ohne jeglichen Makel inszeniert. Pflicht und Kür: 9,0. Technisch brillant, sauber und authentisch vorgetragen: Das Mitgefühl für die Unfallopfer einer Sponsorenaktion und für den Großteil der brasilianischen Bevölkerung, der jenseits europäischer Armutsgrenzen sein Leben fristet. Nichts gegen Fußball, nichts gegen gute Kommunikationsarbeit. Doch zu viel der einseitigen Fokussierung grenzt das Sichtfeld ein. Und für alles außerhalb im wirklichen Leben ist man ja schließlich nicht zuständig. Der Sport steht im Vordergrund. Schöner Sport. Schöner Fußball. Technisch, nüchterne Welt.